Landesmeisterschaft 2014 (Schach 960) von Marco Sommer

Nicht nur unsere Jugend war am Wochenende unterwegs. Max, Waldemar, Daniel und ich vertraten den Hildesheimer SV bei der offenen Niedersachsenmeisterschaft im Fischerschach. Sieben Runden Schweizer System mit 20 Minuten Bedenkzeit. Der Unterschied zum normalen Schach besteht darin, dass die Anfangsaufstellung der Figuren vor jedem Spiel ausgelost wird. Dabei sind 960 verschiedene Ergebnisse möglich – für fleißige Eröffnungstheorieauswendiglerner wie mich ein Schlaraffenland.

Verabredet hatten wir uns um 8:45 Uhr am Hauptbahnhof. Ich war der erste. Für die, die es überlesen haben – ich war erster. Vielleicht erwähne ich es später noch einmal. Allerdings schlenderte mir schon unser Nachwuchsmannschaftsführer entgegen. Wir hatten kaum Zeit uns zu begrüßen, da hielt auch schon ein Auto neben uns an. Perfekt abgestimmt; schade wir kein Tridemturnier spielten. Biggi war auch mit an Bord. Auf der Fahrt zu Waldemar ließen Daniel und ich uns von Max erklären, wie ein 960 Turnier abläuft. Denn im Gegensatz zu den beiden waren wir Neulinge. Waldemar hatte uns nicht zugetraut, dass wir pünktlich sein werden und war noch gemütlich am Frühstücken. In der Wartezeit unterhielt uns Biggi mit Insiderinformationen über die hiesige Nachbarschaft. Trotz Frühstückspause waren wir pünktlich in Lehrte. Das riesige Teilnehmerfeld von 16 Schachfreunden wurde von uns locker flockig um 25% erhöht. Das Turnier selbst hielt ein paar Überraschungen für mich bereit. Nach der Begrüßungsansprache wurden die Paarungen bekannt gegeben und die erste Stellung ausgelost. Und dann – ging es los. Wir sind eigentlich davon ausgegangen, dass wir nach jeder Auslosung Zeit haben uns mit der Aufstellung vertraut zu machen. Notgedrungen opferte ich 5 meiner 20 Minuten um die Konsequenzen der verschieden Bauernzüge abzuwägen und imaginäre Routen für meine Springer abzustecken. Für meine Bemühungen belohnte ich mich mit einer schönen Partie und anschließend einer Tasse Kaffee. Als diese leer war, wollte ich mir die neue Aufstellung anschauen. Das konnte ich direkt am Brett tun, die Spieler begaben sich an die Bretter zur nächsten Runde. So ging es bis zur vierten Runde weiter. Ich hätte gern einmal ein so gut organisiertes Turnier außerhalb unserer Vereinsräume, bei dem die Pause bis zur nächsten Runde gerade ausreicht um aufs Klo zu gehen. Hier hatte ich ein bischen den Eindruck, die Turnierleiter hatten den Tag noch etwas anderes vor. Meine erste Pause bekam ich durch einen Streitfall am Spitzenbrett. Beide hämmerten mit wenigen Sekunden Restzeit auf der Uhr herum, bis diese ausging. Laut Turnierleiter wurde durch die Erschütterungen der Kontakt zur Batterie kurz unterbrochen. In der Zeit, bis alles geklärt war (neue Uhr mit ein paar Sekunden für jeden) konnte ich endlich verschnaufen. Der Vorfall hatte mich ein wenig neugierig gemacht und da ich auch schon negative Erfahrungen mit elektronischen Uhren gemacht habe, stöberte ich zuhause ein wenig in der deutschen Übersetzung der Fideregeln. Dabei stieß ich auf den interessanten Artikel 6.2.c:

„Die Spieler müssen die Schachuhr angemessen behandeln. Es ist verboten, auf sie draufzuhauen, sie hochzuheben, die Uhr vor dem Ziehen zu drücken oder umzuwerfen. Unangemessener Umgang mit der Uhr wird gemäß Artikel 12 bestraft.“ (Anmerkung: in Artikel 12 sind die Maßnahmen aufgelistet, die der Schiedsrichter zur Verfügung hat. Verwarnung bis Turnierausschluss im eigenen Ermessen)

Wenn ich an die vergangene Saison denke, freut mich diese Entdeckung ganz besonders.

Die letzten Runden waren entspannter, weil ich nicht am letzten Brett saß, an dem noch gespielt wurde. Von den anderen Partien habe ich trotzdem nicht viel mitbekommen, was sehr schade war. Dennoch war es ein schönes Turnier, das Dennes Abel mit 6,5/7 gewann. Nur Max luchste ihm einen halben Punkt ab. Die Atmosphäre war familiär und die Preise für Verpflegung fair. Wo die ausgeschriebenen max. 48 Teilnehmer hätten unterkommen, spielen und vor allem aufs Klo gehen sollen, weiß ich nicht – aber wir waren ja nur 20. Die Erfahrung plötzlich mit Oberligaspielern auf Augenhöhe zu spielen und andererseits gegen Daniel keine vernünftige Stellung aufs Brett zu kriegen hatte ebenfalls ihren Reiz. Durch einen kurzen Blick zu Beginn kann man eben nicht das ganze Potential der Stellung erkennen und greift schnell zum falschen Plan. Vielen Dank an Max und Biggi fürs mitnehmen. Es wäre schön, wenn wir zukünftig auch in unseren Turnierkalender Schach960 einbauen können.